Hanse­Lexikon
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Suchbegriff: Jahnke

Schweden

Das Kgr. S. entstand im 10. Jh. durch den Zusammenschluss des Svealandes mit dem Oster- und Westergötaland zu einem Reich, dem Sveareich (Svearige, daraus neuschw. Sverige) unter König... mehr

Das Kgr. S. entstand im 10. Jh. durch den Zusammenschluss des Svealandes mit dem Oster- und Westergötaland zu einem Reich, dem Sveareich (Svearige, daraus neuschw. Sverige) unter König Erik VIII. dem Siegesfrohen (Segersäll) oder dessen Sohn Olaf Schatzkönig (Skötkonung). Die Machtbasis des Sveareiches lag im Mälartal, zudem gehörten Öland und bis 1361 Gotland in loser Verbindung zum Sveareich (1361-1645 dänisch). Bis zum 13. Jh. kamen die ‘Kleinen Lande” (Småland) Njudung, Värend, Möre, Ydre, Tjust, Finnveden und Kinda hinzu. Im Norden ging S. in das Gebiet der Sami (Lappen) über, die teilweise tributpflichtig gemacht wurden. Im Westen stellten die norwegischen Provinzen Jämtland, Härjedalen und im Süden Viken und Bohuslen Übergangsregionen zwischen beiden Reichen dar. Im Süden grenzte ein dichter und undurchdringlicher Wald Småland gegen Schonen, Lister und Blekinge ab. Im Osten kolonisierte und christianisierte S. Finnland am Ende des 12. Jh., Tawastland (finn. Häme, schw. Tavastland) und Karelien (Karjala, russisch Карелия Karelija, schw. Karelen) 1249-1300. Am 15. Febr. 1362 wurde Finnland als gleichberechtigte Provinz innerhalb des schw. Reiches anerkannt und blieb dieses bis 1809 (Frieden von Frederikshamn). S. war wie Dänemark ein Wahlkönigtum und die Könige wurden seit Magnus dem Scheunenschließer (Ladulås) von den Lagmannen (Gesetzessprechern) der einzelnen Reichsteile am Stein von Mora (10 km südöstlich von Uppsala) gewählt und ausgerufen. Der Stein von Mora wurde zu Beginn des 16. Jh. durch Gustav Wasa oder seine Anhänger zerstört, um Erinnerungen an das Wahlrecht auszulöschen. Die Möglichkeiten der freien Königswahl haben im Laufe des Mittelalters zu zahlreichen Bürger- und Bruderkriegen geführt. Generell konnten sich aber drei Dynastien behaupten: die Stenkil-Dynastie von ca. 1060-1130, die Sverker von 1130-1250 und die Folkunger von 1250-1364(-1448). 1319 wurde nach einem langwierigen Bruderkrieg der dreijährige Magnus II. Eriksson zum König  gewählt, der zugleich auch Erbe von Norwegen war. Damit waren beide Reiche in Personalunion vereint. Allerdings hatte der vorangehende Bruderkrieg zu einer dauerhaften Schwächung des Königtums und seiner Finanzen sowie zu einer herausragenden Stellung einiger Hochadelsgeschlechter geführt, die nicht gewillt waren, auf ihre Macht zu verzichten. 1332 konnte Magnus zwar Schonen, Lister und Blekinge käuflich erwerben und Schonen als drittes Königreich seiner Krone unterordnen (daher das schw. Reichswappen der Drei Kronen/Tre Kronor), doch konnte er auf Dauer weder Schonen gegen König Waldemar Atterdag von Dänemark behaupten noch sich gegen den Hochadel durchsetzen. In der Folge der Auseinandersetzung um Schonen verheiratete Magnus  seinen Sohn Håkan VI. Magnusson mit Margarethe (I.), Tochter des dän. Königs Waldemar Atterdag. 1364 wurde Magnus als König von S. gestürzt und durch den mecklenburgischen Herzog Albrecht ersetzt. Auch Albrecht von Mecklenburg versuchte vergeblich, sich gegen den den Reichsrat beherrschenden Hochadel durchzusetzen. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung wandte sich der schw. Reichsrat 1388 an die Regentin Dänemarks und Norwegens, die norw. Königin Margarethe I. und bot ihr die Regentschaft an. Diese schlug in der Schlacht bei Åsle bei Falköping in Wester-Götaland Albrecht und nahm ihn gefangen. Einzig die Stadt Stockholm hielt zu Albrecht und die zu ihrer Unterstützung ausgesandten Vitalienbrüder stellten bald eine Bedrohung für den hansischen Handel dar.

Nachdem Margarethe auch Stockholm eingenommen hatte, vereinigte sie alle nordischen Königreiche in der sogenannten Kalmarer Union, die 1397 mit der Krönung ihres Erben, Erich von Pommern, in Kalmar besiegelt wurde. Nach dem Tode seiner Stiefmutter Margarethe im Jahre 1412 konnte Erich S. allerdings nicht dauerhaft halten, da seine erfolglosen Kriege um die dänischen Provinzen Estland und Schleswig S. Steuerlast erheblich erhöht hatte und der schwedische Reichsrat sich nicht ausreichend an der Macht beteiligt fühlte. Erich wurde durch den Aufstand des Engelbrekt Engelbrektsson 1435 gestürzt. Nachdem Engelbrekt 1436 ermordet wurde, kam Karl Knudsson aus dem Reichsratsgeschlecht der Bonde die zentrale Rolle in den Auseinandersetzungen zwischen den Nachfolgern Erichs und dem s. Hochadel zu. Karl Knudsson regierte als Reichsverweser erstmalig 1438-1440. 1441 wurde er durch den letzten Unionskönig aus dem weiteren Geschlecht der Folkunger, Christopher von Pfalz-Neumarkt (gen. von Bayern), abgelöst und mit Finnland abgefunden. Nach Christophers unerwartetem Tod 1448 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Familie Oxenstierna und Karl Knudsson Bonde, der zwischen 1448 und 1457 als König regieren konnte, dann aber abgesetzt wurde und nach Danzig fliehen musste. Christopher von Pfalz-Neumarkt hatte allerdings bei seinem Tode seiner Witwe Dorothea von Brandenburg überaus große Besitzungen in S. hinterlassen und es gelang ihr 1457, ihren Mann, Christian I. von Oldenburg, als Unionskönig in S. ausrufen zu lassen. Aber auch dieser wurde 1464 gestürzt und durch Karl Knudsson Bonde ersetzt, der aber schon nach einem halben Jahr wieder nach Finnland verbannt wurde. In den folgenden Jahren kam es zu einem Machtkampf zwischen den Familien Oxenstierna und Thott/Wasa, an deren Ende 1467 Karl Knudsson Bonde abermals zum König gewählt wurde. Nach dessen Tod 1470 versuchte Christian I. ein letztes Mal, S. wieder zu erobern, wurde aber 1471 in der Schlacht am Brunkebjerg bei Stockholm vernichtend geschlagen. S. wurde nun durch den Reichsverweser Sten Sture d.Ä. regiert, der 1497 durch den Sohn Christians I., Johann II. von Oldenburg, vertrieben wurde. Johann konnte 1497 seinen Sohn Christian (II.) zum Erben ausrufen lassen, bevor er 1501 wieder abgesetzt wurde. Sten Sture d.Ä. übernahm wieder die Macht. Auf ihn folgte nach seinem Tod 1503 Svante Nilsson Sture, ein Grossneffe Karl Knudsson Bondes, der sich bis 1512 an der Macht halten konnte. Ihn beerbte 1512 sein Sohn Sten Sture d.J., der 1520 bei der Eroberung S. durch Christian II. von Oldenburg getötet wurde. Christians Eroberung wurde vor allem durch den Erzbischof von Uppsala, Gustav Eriksson Trolle, gestützt, der aus persönlichen Machtgründen bei den Krönungsfeierlichkeiten in Stockholm 1521 einen Ketzerprozess gegen den gesamten schwedischen Reichsrat durchführte, in dessen Konsequenz Christian genötigt wurde, den gesamten Rat und dessen Sympathisanten im Land hinzurichten. (Stockholmer Blutbad). Als Folge der zahlreichen Hinrichtungen kam es zu einem Aufstand unter Gustav I. Wasa, der propagandistisch und nationalistisch untermauert wurde und 1523 letztendlich dazu diente, die Wahlmonarchie abzuschaffen und eine Erbmonarchie unter den Wasas einzuführen. Die zahlreichen Thronwirren und -kriege haben den Handel im Ostseeraum stark belastet und die Hansestädte über Jahrhunderte involviert.

Wirtschaftlich zeichnete sich S. besonders durch seine Bodenschätze aus. Seit spätestens 1284, wahrscheinlich aber seit dem 11. Jh., wurde am Großen Kupferberg, dem Stora Kopperberget bei Falun, Kupfer gebrochen (bis 1992). Gleichzeitig gab es im Norra Skog (dem nördlichen Wald) bei Örebro sowie auf Utö bei Stockholm, in Dalarna, am Norberg und Skinnskatteberg in Västermanland, in Uppland sowie im Södermanland große Eisenvorkommen, die exportiert wurden. 1340 wurden allein aus dem Norra Skog 2.400 Schiffspfund Eisen ausgeführt. Die Gewinnung, Verarbeitung und der Handel mit Eisen und Kupfer geschah vielfach unter Beteiligung deutscher Experten und Kaufleute. Sowohl das Kupfer als auch das Eisen wurden vor allem über Stockholm ausgeführt, das zum wirtschaftlichen Zentrum S. aufstieg. Neben den Metallen war es vor allem der Butterexport aus Småland, der von wirtschaftlichem Interesse war. S. besaß im Mittelalter mit Stockholm, Kalmar, Visby und Viborg vier international bedeutende Handelsstädte sowie zahlreiche kleinere Zentren. Eine besondere Regel des von Kg. Magnus Eriksson zwischen 1349 und 1357 erlassenen Stadtrechtes verfestigte dabei die alte Gewohnheit, den städtischen Rat und das Bürgermeisteramt paritätisch mit deutsch und schwedisch sprechenden Mitgliedern zu besetzen, wobei die Grenzen fließend waren. Hierdurch wurde die Integration der schwedischen Städte in den norddeutschen Handel wesentlich erleichtert. Stockholm, Kalmar und Visby erscheinen zudem als Hansestädte. Es ist auch ein reges Konnubium zwischen schwedischen und deutschen Ratsfamilien zu konstatieren. Nach 1471 wurde die Regel aus propagandistischen Gründen im dänisch-schwedischen Krieg abgeschafft. Ein Teil der “deutschen” Ratsherren wurde zu “schwedischen”, andere wanderten in die deutschen Ostseestädte, vor allem nach Lübeck, aus.

 Im Gegensatz zu Dänemark nimmt S. in der traditionellen Hanseforschung eine eher neutrale Stellung ein. Allerdings wirkt die nationale Propaganda der Wasazeit in der Geschichtsschreibung vor allem in S. bis heute nach. Die Rolle der Deutschen  und der Hanse bleibt dabei umstritten. Zudem haben die erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Fritz Rörig und Hugo Yrwing sowie von deren Schülern über die angeblich besondere Stellung der Deutschen auf Gotland den Blick auf das gesamte Reich für lange Zeit verdunkelt.

Carsten Jahnke2014

Literatur: Norsteds Sveriges Historia, Vol. II-III, 600-1600, hrsg. D. Harrison, B. Eriksson, 2010; The Cambridge History of Scandinavia, hrsg. K. Helle, 2003.
Seeschifffahrt

Die S. im Hanseraum entwickelte sich entsprechend dem europäischen Vorbild. Die hansischen Kaufleute nutzten zuerst die vorhandenen Kapazitäten des nordischen Seeverkehrs und die dortigen... mehr

Die S. im Hanseraum entwickelte sich entsprechend dem europäischen Vorbild. Die hansischen Kaufleute nutzten zuerst die vorhandenen Kapazitäten des nordischen Seeverkehrs und die dortigen Bedingungen der → Fahrtgemeinschaften. Seit dem 13. Jh. kam es zu Änderungen im Schiffbau und seit dem 15. Jh. zu Änderungen der Arbeitsbedingungen an Bord. Die Konzentration der Kaufleute auf das heimische Kontor führte zu einer mentalen Trennung der hansischen Kaufleute von der eigentlichen S. Das führte zum Unverständnis der Bedingungen der S. und zu einer Kriminalisierung der Mannschaftsbedingungen (Landwehr). Entgegen älterer Auffassung lassen sich keine „hansischen“ Schiffstypen nachweisen, sondern die hansische S. war Teil der Rationalisierungen bzw. Entwicklungen der europäischen Schifffahrt.

Carsten Jahnke2022

Literatur: R. Paulsen, Schifffahrt, Hanse und Europa im Mittelalter, 2016; G. Landwehr, Das Seerecht der Hanse (1365-1614): vom Schiffordnungsrecht zum Seehandelsrecht, 2003.
Söderköping

S. ist eine schwedische Handelsstadt im östlichen Östergötland am Zusammenfluss der Kleinen und Großen Au (Lill- u. Storån, heute fälschlich Söderköpingså genannt und im Götakanal aufgegangen) vor... mehr

S. ist eine schwedische Handelsstadt im östlichen Östergötland am Zusammenfluss der Kleinen und Großen Au (Lill- u. Storån, heute fälschlich Söderköpingså genannt und im Götakanal aufgegangen) vor dem Ausgang in den Slätbaken, einem besonders tiefen Ostseefjord. Der Ort liegt an der südlichen Grenze des Vikbolandets, das im Norden von der Bråvik mit Norrköping abgegrenzt wird. Der Name S., “südliche Kaufmannstadt”, referiert so entweder zur Lage im Vikboland oder auf Norrköping, die “nördliche Kaufmannstadt”. Seit dem 11. Jh. wurden die sumpfigen Niederungen am Zusammenlauf der Auen besiedelt und spätestens zu Beginn des 13. Jh.s zu einer Stadt ausgebaut. Die ältesten hölzernen Straßenbeläge datieren z.Zt. auf das Jahr 1204. 1235 wird eventuell ein Franziskanerkloster angelegt und 1253 wird erstmals ein Götulf Ryss (Russe) als dominus und cives in S. erwähnt. Die Stadt erhielt das nordische Bjarkey-Recht (Birkinselrecht, Kaufmannsrecht), dessen älteste Redaktion im Stadtrecht von S. von ca. 1290 überliefert ist. Im 13. und 14. Jh. verzeichnete S. eine starke Einwanderung aus dem niederdeutschen Raum und war in das hansische Handelsnetzwerk integriert sowie durch Connubium mit den Bürgern niederdeutscher Städte verbunden. Der seit 1293 nachgewiesene Rat von S. war so, wie in vielen schwedischen Städten, zweisprachig, seit Einführung des neuen Stadtrechtes zur Mitte des 14. Jh.s bis 1471 bestand der Rat zur Hälfte aus Deutschen. S. gehörte teilweise zur Mitgift schwedischer Königinnen und entwickelte sich vor allem im 13. und 14. Jh. zu einem der wichtigsten politischen Zentren Schwedens. Hier wurden u.a. 1281 Heilwig von Holstein zur Königin und 1302 Birger Magnusson zum König gekrönt. S. diente vor allem als Ausfuhrhafen für die Eisenproduktion des Mälartales und stand als solcher in direkter Konkurrenz zu Stockholm, welches die Stadt im 13. und 14. Jh. noch überflügeln konnte. Im 17. Jh. wurde auch im Umland von S. Kupfer gewonnen. Bis in das 15. Jh. galt S. als Referenzmarkt für schwedisches Eisen, dessen Marktpreis als richtungsweisend galt. 1567 wurde die Stadt durch schwedische Truppen im Nordischen Siebenjährigen Krieg zerstört und hat sich davon nicht wieder erholt, da der Hafen der Stadt durch die Landhebung gleichzeitig zum Ende des 16. Jh.s unbefahrbar wurde. Die Quellenlage zur Handelsgeschichte der Stadt ist durch die Zerstörungen des 16. Jh.s schlecht. Lediglich einige rechtsgeschichtliche Aufzeichnungen sind vorhanden.

Carsten Jahnke2017

Literatur: D. Harrison, En medeltida Storstad. Historien om Söderköping, 2012; S. Ljung, Söderköpings Historia, 1949.
Stecknitzkanal

Der S. ist eine 97 km lange zw. 1390 und 1398 gebaute und bis 1898 genutzte Wasserverbindung zwischen Lübeck und Lauenburg an der Elbe. Sie überwindet die Wasserscheide zw. Nord- und Ostsee und... mehr

Der S. ist eine 97 km lange zw. 1390 und 1398 gebaute und bis 1898 genutzte Wasserverbindung zwischen Lübeck und Lauenburg an der Elbe. Sie überwindet die Wasserscheide zw. Nord- und Ostsee und einen Höhenunterschied von 18 m. Der S. folgte im Wesentlichen den natürlichen Wasserläufen von Stecknitz (nach Norden fließend) und Delvenau (in die Elbe fließend). Zwischen beiden Flusssystemen wurde ein 11½ km langer Verbindungskanal, der Neue oder Delvenaugraben, angelegt. Zum Halten des Wasserstandes wurden zuerst 13, später 17 Kammerschleusen eingerichtet, die bis zu zehn Schiffe fassen konnten. Der Kanal hatte eine Tiefe von etwa 3 Fuß (0,85 m) und eine Breite von 25 Fuß (7,5 m). Er wurde 1821-1823 auf 1,40 mal 12 m ausgebaut. Die zur Befahrung eingesetzten Kähne waren 12 m lang, 2½ m breit, hatten einen Tiefgang von 30-40 cm und eine Ladekapazität von 7½ t. Sie wurden ausschließlich von den lübischen Stecknitzschiffern betrieben. Die Lauenburger Stecknitzfahrer durften nur bis Mölln fahren. Die Stecknitzschiffer brachten Produkte des Ostseeraums nach Lauenburg, die von dort von Lauenburgern nach Hamburg gebracht wurden. Die Stecknitzfahrer nahmen Lüneburger ➝ Salz als Retourfracht mit. Im 15. Jh. wurden im Jahr ca. 1.000-1.500 Ladungen Salz nach Lübeck gebracht, später wesentlich weniger. Ab 1898 wurde der S. durch den Elbe-Lübeck-Kanal ersetzt.

Carsten Jahnke2022

Literatur: W. Boehart, C. Bornefeld, C. Lopau, Die Geschichte der Stecknitz-Fahrt. 1398–1998, 1998; R. Hammel-Kiesow, Salzzoll und Grabenzoll – Konjunkturen des Salzhandels und des Transithandels auf dem Stecknitzkanal im 16. Jh, in: "Vom rechten Maß der Dinge“, Festschrift für Harald Witthöft, 1996, 285-305; N. R. Nissen, Neue Forschungsergebnisse zur Geschichte der Schiffahrt auf der Elbe und dem Stecknitzkanal, Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 46 (1966), 5-14
Stockholm

S. ist eine schwedische Handelsstadt am Übergang des Mälaren in die Ostsee, zwischen den beiden schwedischen Len von Södermanland und Uppland. Die Bedeutung des Namens S. ist umstritten, bedeutet... mehr

S. ist eine schwedische Handelsstadt am Übergang des Mälaren in die Ostsee, zwischen den beiden schwedischen Len von Södermanland und Uppland. Die Bedeutung des Namens S. ist umstritten, bedeutet wahrscheinlich “Insel im Strom” (Gustaf Brynnel, 1965). Der Name wird 1252 erstmals als Ausstellungsort einer königlichen Urkunde erwähnt (SDHK, Nr. 665). S. wird allgemein mit der Verschiebung der Handelsströme im Mälardeltar erst von Birka (8.-10. Jh.) nach Sigtuna (10.-13. Jh.) und dann von Sigtuna nach S. in Verbindung gebracht. Nach der Visbychronik wurde S. nach 1187 gegründet, als Folge der Zerstörung Sigtunas; nach anderen Traditionen wird die Stadtgründung König Birger Jarl (Anfang 13. Jh.) zugeschrieben. Die Bedeutung S.s lag vor allem in der Funktion als Ausschiffungshafens von schwedischem Eisen aus dem Bergslagen um die Stadt Örebro herum, aber auch als Umschlaghafen in Richtung Finnland, Baltikum und Russland.

S. besteht aus mehreren Inseln im Mälaren, von denen die Altstadt und das Schloss auf dem Stadsholmen angesiedelt sind, dem im Norden der Helgeandsholmen vorgelagert ist, auf dem im 13. Jh. ein Heilig-Geist-Hospital gegründet wurde. Im Süden liegt die Insel Kidaskär, die ihren Namen nach dem im 13. Jh. gestifteten Graubrüderkloster in Gråbrödraholmen (heute Riddarholmen) veränderte. Vom Helgeandsholmen gab es eine Verbindung zum nördlich gelegenen Festland, dem Nordmalm, mit dem Brunkebjerg. Zu Mitte des 13. Jh.s und im 15. Jh. wurden Helgeandsholmen und Stadsholmen mit einer Stadtmauer versehen, die die Stadt nach Norden, aber nicht nach Süden umschloss. Die Stadt hatte bis ins 15. Jh. ca. 4.000 Einwohner, expandierte mit der Etablierung der Zentralregierung im 16. u. 17. Jh. aber schnell auf 10.000 Einwohner und griff auf das nördliche und südliche Ufer aus. Heute ist S. die mit Abstand größte schwedische Stadt.

Am nordöstlichen Ende des Stadsholmen befand sich seit dem 10. Jh. eine Seesperre, die seit dem 12. Jh. mit einer Burg versehen war. Diese Burg entwickelte sich seit dem 13. Jh. zu einer der wichtigsten schwedische Reichsfestungen, die seit dem 16. Jh. Tre Kronor genannt wurde und den Vorgängerbau des jetzigen Schlosses darstellt. Die Burg entwickelte sich im Laufe des Mittelalters zum Zentralsitz der schwedische Könige. Die Burg war durch eine Freifläche von der Stadtkirche, Storkyrka, (St. Nicolai; gegründet nach 1187, ca. 1260 als eigene Pfarrkirche, 1279 erstmals erwähnt) und der Stadt getrennt.

In S. fand spätestens seit dem Lübeck-Traktat König Birger Jarls aus dem Jahr 1250 eine starke niederdeutsche Einwanderung statt. Den Deutschen war bis 1471 gemäß des schwedischen Stadtrechtes die Hälfte der Ratssitze und des Bürgermeisteramtes zugesprochen, wobei die Herkunft des Vaters ausschlaggebend für die Einordnung des Sohnes war. Nach der Abschaffung der Regelung 1471 gingen die meisten der deutschen Ratsherren in den schwedischen Rat über, nur einige wenige wanderten nach Lübeck aus. Die S.er niederdeutschen Familien standen im engen Connubium zu den Bürgern der anderen Hansestädte und gingen enge Handelsverbindungen mit diesen ein. Die Deutschen waren u.a. in der Gertrudsgilde vertreten, deren Bruderschaftsbuch überliefert ist, und sie besitzen bis heute ihre eigene, 1571 gegründete dt. Kirche, St. Gertrud.

1366 war S. auf dem Tag der Seestädte zu Lübeck vertreten (HR I.1, Nr. 376) wie auch der Pfundzoll von 1362-1363 in der Stadt erhoben wurde (HR I.1, Nr. 290). Im Kampf zwischen König Albrecht von Schweden und Königin Margarethe von Norwegen um die schwedische Krone übernahmen die Hansestädte zweitweise die Verwaltung der Stadt. Die weitere Stellung der Stadt zur Hanse ist unsicher, nach 1471 gab es aber starke schwedische Nationalisierungstendenzen, obgleich der Handel in gleichen Bahnen fortgesetzt wurde.

Der S.er Handel innerhalb des Reiches, mit der Hanse und den anderen Ostseeanrainern war umfangreich. Die Stadt war zudem der Haupthandelsort im Bottnischen Meerbusen. Zu den Handelswaren zählten besonders schwedisches Osemund (Eisen) aus dem Bergslagen, Kupfer aus dem Bergwerk zu Falun sowie Produkte der schwedischen Landwirtschaft.

 Die Quellenlage zur Geschichte der Stadt ist gut. So sind u.a. die Stadtbücher, Tänkeböcker, von 1474-1660, sowie die Steuerbücher, Skotteböcker, von 1430-1525 (mit Unterbrechungen), u.a. Quellen erhalten.

Carsten Jahnke2017

Literatur: G. Bolin, Stockholms Uppkomst, 1933; W. Koppe, Lübeck-Stockholmer Handelsgeschichte im 14. Jh., 1933; E. Weinauge, Die deutsche Bevölkerung im mittelalterlichen Stockholm, 1942 (eingeschränkt nutzbar); C. Weibull, Lübecks sjöfart och handel på de nordiska rikena 1368 och 1398-1400, in: Scandia, XXXII (1966); A. Ödman, Stockholms tre borgar: från vikingatida spärrfäste till medeltida kastellborg, 1987; M. Lamberg, Dannemännen i stadens råd, 2001.
Sund

Der (Öre-)S. ist der östlichste der drei Eingänge zur → Ostsee. Er erstreckt sich von der Linie Gilbjerg Hoved (westlich von Gilleleje) - Kullen im Norden bis zur Linie Stevns Leuchtfeuer -... mehr

Der (Öre-)S. ist der östlichste der drei Eingänge zur → Ostsee. Er erstreckt sich von der Linie Gilbjerg Hoved (westlich von Gilleleje) - Kullen im Norden bis zur Linie Stevns Leuchtfeuer - Falsterbo im Süden und trennt Schonen im Osten von Seeland im Westen. Er hat eine Länge von 118 km und ist zwischen 4 und 28 km breit. Die Durchschnittstiefe beträgt 11 m, bei Helsingborg 40 m. Der Name Öres. bedeutet “schmales Fahrwasser mit steinigem Strand”. Die im Süden des S.es liegenden, gefährlichen Fahrwasser vor Skanör auf der Halbinsel Halör (Halbinsel von Falsterbo) standen namengebend für das nördliche Europa (Skaðinaujō, Schadensinsel, lat. Scadinauia bei Plinius d.Ä.). Zur Sicherung der Durchfahrt wurde auf Bitten Lübecks hier 1225 das erste Leuchtfeuer der Ostsee errichtet (HUB I, 195). Der S. war, trotz seiner geringen Tiefe, im Mittelalter der wichtigste Verbindungsweg zwischen Kattegat und Ostsee. Hierdurch verlief fast der gesamte Schiffsverkehr in und aus der Ostsee. Seit dem 10. Jh. gehörte der S. zu Dänemark und die dänischen Könige erhoben einen direkten Herrschaftsanspruch auf das Gewässer. Seit 1429 forderten sie an dessen schmalster Stelle bei Helsingborg den → S.zoll. Der S. diente zugleich der Heringsfischerei. An seinen Küsten entstanden am Ende des 12. Jh. Nordeuropas wichtigste Handels- und Fischmessen, die → Schonischen Messen. S.hering dominierte bis zum 15. Jh. den gesamten europäischen Markt. Aus den Messen entstanden die Städte von Malmö, Kopenhagen, Landskrona und Helsingborg. Seit der Zeit Erichs von Pommern befindet sich die Hauptstadt Dänemarks am S., erst (geplant) Landskrona (die “Krone des Landes”), dann Kopenhagen. Seit der Annexion Schonens durch die Schweden 1658 verläuft die Grenze zwischen Schweden und Dänemark inmitten des S., wobei die Fahrrinne zu Schweden gehört. Der dänische König behielt aber das Passagezollrecht.

Carsten Jahnke2014

Literatur: P. Borschberg, M. North, Transcending borders: the sea as a realm of memory, in: Asia Europe Journal 8 (2010), 279-92.
Sundzoll

Der S. sowie der sogenannte Belt- oder Stromzoll sind Passagezölle, die der dänische König für die Nutzung des Öresundes sowie des Großen und Kleinen Beltes erhob, da nach dänischer... mehr

Der S. sowie der sogenannte Belt- oder Stromzoll sind Passagezölle, die der dänische König für die Nutzung des Öresundes sowie des Großen und Kleinen Beltes erhob, da nach dänischer Rechtsauffassung diese Gewässer sein Eigentum waren. Die Zölle lösten seit 1423/1429 die → Umlandfahrer- und schonischen Marktzölle ab, die durch ausbleibende Anpassung der Privilegien unrentabel geworden waren. Am Öresund wurde der Zoll am Schloss von Helsingör/Elsinore, Kronborg/Krogen, erhoben. Hierdurch wurde Helsingör zur wichtigsten Informationsdrehscheibe Nordeuropas. Der Zollsatz betrug seit 1429 1 Rosennobel per Schiff, wurde aber seit 1587 auf die Ladung erhoben. Der Widerstand der Hansestädte führte zu zahlreichen Sonderregelungen bei den Zollsätzen. Da der S. nur aufgrund der Angaben der Schiffer ermittelt wurde, ist ein ausgeprägter Zollbetrug zu beobachten. Der Zoll war persönliches Eigentum des Königs, der die Zollsätze lange geheim hielt. Die Einnahmen ermöglichten den dänischen Königen eine große Handlungsfreiheit und machten einen sehr großen Teil des königlichen Budgets aus. Die Verzeichnisse des S.s sind für den Zeitraum von 1497 bis 1857 überliefert und online zugänglich (http://www.soundtoll.nl). 1857 wurden die dänischen Passagezölle auf amerikanischen Druck in der Konvention von Kopenhagen abgeschafft.

Carsten Jahnke2014

Literatur: K. Hørby, Øresundstolden og den skånske skibstold, in: Middelalder Studier, Tilegnede Aksel E. Christensen på treårsdagen, 1966, 245-72; Tolden i Sundet, hrsg. O. Degn, 2010.
Umlandfahrer

U. ist eine mnd. Bezeichnung für Kaufleute, die auf dem direkten Seeweg, um das Land, d.h. um das Kap Skagen herum, auf die → Schonischen Messen resp. nach Dänemark gesegelt sind. Der Begriff... mehr

U. ist eine mnd. Bezeichnung für Kaufleute, die auf dem direkten Seeweg, um das Land, d.h. um das Kap Skagen herum, auf die → Schonischen Messen resp. nach Dänemark gesegelt sind. Der Begriff erscheint zuerst in den sog. Ummelandfahrerprivilegien vom 24. und 25. April 1251 (HUB I 411, 413), die Umlandfahrt ist aber älter. Diese Privilegien waren vor allem an die → zuiderzeeischen Städte gerichtet, Originale finden sich heute in Utrecht und Kampen. U. entrichteten auf den Schonischen Messen einen an Schiffen, nicht an Ladungen orientierten Zoll, der ab einer Schiffsgröße von 12 Last Heringen vorteilhafter war als der sog. Binnenland-Zoll. Diese Zollvorteile sollten den Zwischenhandel mit Norwegen stören sowie die starke Stellung der wendischen Städte auf den Messen schwächen. Eine Zollaufstellung für die Umlandfahrt liegt für die Stadt Malmö für das Jahr 1375 vor. Der Umlandzoll wurde mit der Einführung des → Sundzolls 1422/29 obsolet.

Carsten Jahnke2014

Literatur: C. Jahnke, Die Malmöer Schonenzolliste des Jahres 1375, HGbll. 115 (1997), 1-107; ders., Das Silber des Meeres, 2000.
Vitalienbrüder

Zwischen 1389 und 1436 (in Lübecker Quellen bis in die 1460erJahre) wurden im Nord- und Ostseeraum Gruppen von Gewaltprofessionellen zur See als V. bezeichnet. Diese Formulierung taucht vor allem... mehr

Zwischen 1389 und 1436 (in Lübecker Quellen bis in die 1460erJahre) wurden im Nord- und Ostseeraum Gruppen von Gewaltprofessionellen zur See als V. bezeichnet. Diese Formulierung taucht vor allem in der innerhansischen Korrespondenz auf, aber auch im diplomatischen Verkehr und in der Kommunikation des Deutschen Ordens mit der Kurie. Zumindest einmal (HR I.4, Nr. 605 von Aug. 1400) lässt sich auch eine Zustimmung der Betroffenen zu dieser Bezeichnung erschließen. Schon 1392 meldet der livländische Landmeister des Deutschen Ordens nach Rom: Isti quoque pirate nominant se fratres victualium (Forstreuter (Hg.): Berichte der Generalprokuratoren I, Nr. 221). Hieraus unmittelbar auf die Eigenbezeichnung einer Gruppe zu schließen, bleibt jedoch problematisch. Ebenso lassen sich entsprechende Aussagen in der Lübecker Chronistik (Detmar, Hermann Korner, Rufus) allenfalls als Belege für die hansestädtische Fremdwahrnehmung auffassen. Jedenfalls kommt die Bezeichnung nicht erst mit der Ausrufung des Seekrieges der Herzöge von Mecklenburg gegen das Königreich Dänemark 1390/91 auf. Auch leitet sie sich nicht von der Versorgung der belagerten Stadt Stockholm im Winter 1393/94 her. Dagegen hat Cordsen schon 1907 wahrscheinlich gemacht, dass hier eine französische Bezeichnung für Fouragiere (vitailleurs) in den Hanseraum übernommen wurde. Die Verwendung bricht auch keineswegs mit dem Kriegsende zwischen Mecklenburg und Dänemark um 1398 oder mit der legendarisch sehr breit ausgestalteten Konfrontation zwischen Hamburg und sog. V. in Ostfriesland um 1400 ab.

 In der populären Wahrnehmung markieren die V. die archetypischen Gegenspieler der „Pfeffersäcke“, die (angeblich mit sozialrevolutionärem Anspruch) die als mächtigen Bund der Kaufleute imaginierte Hanse angegriffen hätten. Demnach hätten die in mecklenburgischen Diensten entstandenen V. mit dem Waffenstillstand von Lindholm vom Juli 1395 ihre Legitimationsbasis eingebüßt, dann jedoch ihre Raubtätigkeit fortgesetzt und seien so zu „Piraten“ geworden. Deshalb hätten Hanse und Deutscher Orden sie 1398 aus der Ostsee, 1400/01 aus Ostfriesland vertrieben. Die Hinrichtung der Anführer Klaus Störtebeker und Gödeke Michels durch die Hamburger habe die Hochphase der V. beendet. Die hansegeschichtliche Forschung hat lange dieses von der Chronistik seit Reimar Kock und Albert Krantz im frühen 16. Jahrhundert entwickelte Bild reproduziert. Bedeutende Denkanstöße gingen in den 1980er Jahren von Wilfried Ehbrecht aus. Die grundsätzliche Kritik von Rohmann 2007 hat sich in der Literatur zunächst nicht durchsetzen können (vgl. jetzt aber Jahnke 2014). So ist der Realitätsgehalt der Störtebeker-Legende weiter umstritten, ebenso, ob es sich bei den V. um eine Bruderschaft von Seeräubern handelt oder eher um ein Produkt der politischen Imagination der hansischen Eliten.

Gregor Rohmann2016

Literatur: (mit der älteren Lit.) M. Puhle: Die Vitalienbrüder, 1994 (und Neuauflagen); G. Rohmann: Der Kaperfahrer Johann Stortebeker, in: HGBll 125 (2007), 77-119; C. Jahnke: Die Hanse, 2014, 175-80.
Vitten auf Schonen

V., aus altn. fit, ein Strich Landes an einem Fjord, sind autonome, rechtlich privilegierte und abgegrenzte Handelsgebiete als Teil der → Schonischen Messen. Sie entstanden durch... mehr

V., aus altn. fit, ein Strich Landes an einem Fjord, sind autonome, rechtlich privilegierte und abgegrenzte Handelsgebiete als Teil der → Schonischen Messen. Sie entstanden durch Niederlassung städtischer Kaufleute an den Verarbeitungsplätzen des Herings. Sie waren von den Plätzen der Fischer, den Fischerlagern, rechtlich und geografisch getrennt. Die V. wurden durch die dänischen Könige als Marktplätze der Kaufleute anerkannt. Sie besaßen seit Beginn des 14. Jh. für die Zeit der Messen eine innere Autonomie und unterstanden der Gerichtsbarkeit städtischer Vögte. Neben dem städt. Recht galten für die V. einheitliche Marktregeln, die in den Motbüchern festgehalten waren. V. glichen im Aufbau ihren Heimatstädten. Kaufleute besaßen dort Grundstücke, Spatien, die mit hölzernen Buden bebaut waren. Diese wurden im Buch des Königs und in den Registern der Städte verzeichnet und waren vererbbares Eigentum. Städtische Institutionen, von Kirchen bis Hurenhäusern, hatten dort ihre Dependancen. V. gab es vor allem in Skanör, Falsterbo, Malmö und Dragör. Sie gerieten im 16. Jh. in Verfall und wurden im 17. Jh. aufgegeben.

Carsten Jahnke2014

Literatur: C. Jahnke, Das Silber des Meeres, 2000.
Wisby

W. ist eine Hansestadt auf der Insel → Gotland. Der Name stammt aus dem altnordischen vi = Opferplatz und by = Ort. Die ersten Siedlungsspuren stammen aus dem 8./9. Jh. Am Ort Wi... mehr

W. ist eine Hansestadt auf der Insel → Gotland. Der Name stammt aus dem altnordischen vi = Opferplatz und by = Ort. Die ersten Siedlungsspuren stammen aus dem 8./9. Jh. Am Ort Wi wurde die erste christliche Kirche Gotlands, die Allerheiligenkirche, Vorgänger von St. Pers, errichtet und ein Hafen im rechtlichen Sinne eingerichtet. Hieraus entwickelte sich die Stadt W. Aufgrund der geographischen Lage Gotlands als beste Seeübergangsstelle nach Russland/Byzanz wurde W. spätestens im 12. Jh. zur zentralen Drehscheibe im Ost-Westhandel. Hier trafen russ. Kaufleute auf Skandinavier, “Deutsche” und Friesen. Die Bewohner Gotlands, die Gutnen, selbst waren die wichtigsten Kaufleute in Nordeuropa. W. war zudem eine bedeutende Übergangsstelle bei der Christianisierung und Kolonisierung des Baltikums. Wie in anderen schwedischen Städten auch kam es im späten 12. Jh. zu einem Zuzug von deutschen Kaufleuten nach W. Sie behielten ihren besonderen Status und bildeten, wie in Schweden üblich, einen eigenen Teil des Rates. Spätestens 1225 erhielten sie ihre eigene Kirche, St. Marien. Die deutsch und schwedisch sprechenden Ratsherren in W. besaßen bis 1332 jeweils ein eigenes Siegel, das sie gemeinsam an die städtischen Urkunden anbrachten. Nach 1332 bis zur Abschaffung 1471 lebte die Zweisprachigkeit nach allgemein schwedischem Vorbild nur in den städtischen Aufzeichnungen weiter. Neben den in W. wohnenden Kaufleuten deutscher Sprache gab es auch die Gruppe der nach Osten durchreisenden deutschen Kaufleute, die andere Interessen als  die Bürger besaßen. Diese Kaufleute bildeten zur Mitte des 13. Jh. ein eigenes Kontor, den Staven von W., heraus, das ein festes Haus und eine feste innere Struktur mit Älterleuten etc. besaß. Das Kontor betrieb eine sehr aktive, eigene Politik und steuerte zudem die Geschicke des Kontors von → Novgorod, dessen Kasse in St. Marien in W. verwahrt wurde. Seit 1294 versuchte Lübeck aus hausmachtpolitischen Gründen, die Macht des W.er Kontors zu brechen und konnte 1298 dessen völlige Entmachtung durchsetzen. Allerdings lebte das Kontor als Einrichtung noch bis mindestens 1350 weiter. Die Rolle der Deutschen in W. wurde seit 1920 zunehmend unter nationalistischen und nationalsozialistischen Gesichtspunkten betrachtet. Hierbei spielte vor allem die Auslegung des sogenannten Artlenburg-Privilegs von Heinrich dem Löwen für Lübeck aus dem Jahr 1161 eine besondere Rolle. Von Seiten der deutschen Forschung wurde hierbei eine Gruppe der “Gotländischen Genossenschaft” in W. konstruiert, die dort besondere Herrschaftsrechte gehabt haben sollte. Diese Konstruktion gilt heute als überholt, hat aber für einen erbitterten und langanhaltenden Streit zwischen schwedischen und deutschen Forschern gesorgt. W. gilt heute als bestbewahrte mittelalterliche Stadt Schwedens, auch wenn Lübecker 1525 alle Kirchen mit Ausnahme von St. Marien zerstört haben.

Carsten Jahnke2014

Literatur: C. Jahnke, "Homines imperii" und "osterlinge", HGbll. 129 (2011), 1-57.
Wohltätigkeit

W. in Form von Almosen zählt im Christentum nach Mk 10,21 wie auch später die Bereitstellung von Sachleistungen „zum allgemeinen Besten“ als Akt der Nächstenliebe. Durch Entwicklung des... mehr

W. in Form von Almosen zählt im Christentum nach Mk 10,21 wie auch später die Bereitstellung von Sachleistungen „zum allgemeinen Besten“ als Akt der Nächstenliebe. Durch Entwicklung des Fegefeuergedankens seit dem 13. Jh. konnte die W. weiterhin eine geistliche Form für bereits Verstorbene einnehmen, die ihrerseits die Lebenden in einem sacrum commercium für die W. belohnen (Othenin-Girard). W. wurde dadurch im Hanseraum wie im gesamten orbis catholicus sowohl in materieller wie geistlicher Form geleistet. Materiell erfolgte W. seit dem 13. Jh. z.B. durch standardisierte Gaben zum Unterhalt von Wegen u. Stegen und Gabe an die kirchliche fabrica (z.B. in Testamenten) oder als Almosen, teils als Speisegabe, im Hanseraum oft in Form von Schönroggen oder als Sachgabe u.a. in Form von Schuhen oder Seelenbädern. Almosenstiftungen konnten dabei individuell oder in einer Gruppe (häufig durch →Bruderschaften) erfolgen, wobei innerhalb der Bruderschaften die W. wiederum als individuelle Gabe eines Einzelnen aufgefasst werden konnte (Jahnke). Zudem konnten wohltätige Stiftungen (Armen- u. Siechenhäuser, Hospitäler etc.) die W. verstetigen. Die Vermögenswerte der wohltätigen Stiftungen wurden auch nach der →Reformation weiter als solche genutzt und dem städtischen Armenkasten zugeordnet.

In der kirchlichen Heilsökonomie vor der Reformation bestand die W. der Lebenden an die Toten zumeist aus Gebeten und Stiftungen von Seelgeräten (nach Mt 6,19–20) wie z.B. der Einrichtung von Totenmessen. Die Toten sorgten hierbei in wechselseitiger Dankbarkeit zum einen für Waffenhilfe für die Lebenden wie sie auch die Erlösung durch himmlische Vermittlung vorantreiben konnten. W. in Form von Totenfürsorge war dabei eine familiäre wie auch gruppenspezifische Aufgabe. Die Formen der W. änderten sich nach der →Reformation wesentlich, da sie ihren Bezug auf die Verkürzung der Leidenszeit im Fegefeuer verloren. Sie wurden aber im Gedanken der christlichen Nächstenliebe (nach Lk 22,27) im hansischen Raum weitergeführt.

Carsten Jahnke2023

Quellen: C. Jahnke, Gott gebe, dass wir alle selig werden mögen. Die Mitgliederverzeichnisse der Heilig-Leichnams-, St. Antonius- und St. Leonhards-Bruderschaft zur Burg in Lübeck sowie das Bruderschaftsbuch der Heilig-Leichnams- und St. Mauritiusbruderschaft der Weydelude zu St. Katharinen, 2022.

Literatur: M. Othenin-Girard, Der Dank der Toten. Zur Vorstellung von wechselseitigen Hilfeleistungen zwischen Lebenden und Verstorbenen im Spätmittelalter, in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 92 (1998), 165-90; S. Rabeler, Zur Sozialgeschichte der Armenfürsorge in den Städten des südlichen Ostseeraums (13.-16. Jh.), in: HGbll 125 (2007), 187-98; Formen der Armenfürsorge in hoch- und spätmittelalterlichen Zentren nördlich und südlich der Alpen, hrsg. L. Clemens, A. Haverkamp, R. Kunert, 2011.
Zölle

Z., von lat. teloneum u. ä. [theolonium] zu gr. teloneíon, umfasst allgemeinsprachlich eine Gruppe von Abgaben oder Belastungen, mit denen Kaufleute,... mehr

Z., von lat. teloneum u. ä. [theolonium] zu gr. teloneíon, umfasst allgemeinsprachlich eine Gruppe von Abgaben oder Belastungen, mit denen Kaufleute, Transportfahrzeuge/Transporttiere oder Waren belegt werden. Z. entwickelten sich ursprünglich aus dem Schutz und der Friedenssicherung für Kaufleute. Für den Hanseraum sind hierbei zwei verschiedene rechtliche Entwicklungslinien, eine römisch-byzantinische und eine nordeuropäische, zu unterscheiden. Im Bereich des alten römischen Imperiums wurden die imperialen Z. bis in die Zeit Karls d. Gr. und darüber hinaus weitergeführt und galten als königliches Regal (Gesetze von Roncaglia). Zu diesen Zöllen gehörte u.a. das portorium, eine Lizenzabgabe für den Handel. Das portorium wurde von einem Handelsgrafen, dem comes commercium, eingezogen. Diese Abgaben wurden zuerst in bestimmten Handelszentren, wie Dorestad oder Bardowick, erhoben. Seit spätestens 787 wurden alle Zölle an der Nordseeküste vom Abt des Klosters Wandrille eingezogen und verwaltet. Parallel hierzu wurden unter den Karolingern Z. auf Marktplätzen, legitima mercata, oder in Häfen, porta legitima, erhoben. Diese Z. wurden als Sicherungs- resp. Schutzabgabe für Kaufleute verstanden. Daneben standen die ‘ungerechten Z.’, teloneis iniustis, die von einigen Herrschern erhoben wurden, ohne Schutzfunktion zu gewährleisten. Spätestens seit dem 11./12. Jh. weichte dieser Unterschied aber auf, und Z. wurden als reine Fiskalquelle betrachtet. So errichteten die Rheinanlieger z.B. zahlreiche Zollstellen, die wesentlich zur Finanzierung der fürstlichen Haushalte beitrugen. In den Häfen des Heiligen Römischen Reiches wurde zumeist ein ad valorem Zoll (= nach dem Warenwert) erhoben. Im 6. Jh. entwickelte sich in Byzanz der Zehnte (gr. deketeia), der sich später im karolingischen Reich etablieren konnte. Daneben standen handelsspezifische Abgaben, z. B. für das Öffnen v. Häfen, exclusatum, die Nutzung der Hafenanlagen, palifictura, oder Passage- resp. Hafenzölle, passionaticum resp. portaticum.

Bis in das 12. Jh. waren diese Z. und Abgaben nur auf das Heilige Römische Reich begrenzt. In Nordeuropa, England und den brit. Inseln, herrschte ein traditionelles ‘germanisches’ Abgabensystem vor. Hier galten ankommende Kaufleute als eine Bereicherung der Macht eines lokalen Herrschers. Die Kaufleute suchten bei dem Herrscher um Schutz und Marktfrieden, kauƥfriđr, nach und wurden nach Gewährung dessen in dessen persönliches Gefolge aufgenommen. Zur Erlangung des Schutzes boten die Kaufleute den Herrschern einen Teil der Ware an (Vorkaufsrecht) resp. zu besonderen Tarifen feil. Dieser Vorgang wird konningskøp (Königskauf) genannt, konnte als priseret institutionalisiert werden. Das priseret wurde in eine stehende Abgabe, die Scavage, (von lat. scalaticum, altfranz. escauwage [beschauen], zu griech. skaliatikon), umgewandelt. Mit dem Eingehen in ein gegenseitiges Schutzverhältnis wurden Kaufleute Teil des herrschaftlichen Gefolges (s. z. B. mercatores imperii). Verließen Kaufleute allerdings einen Markt, erlitt der Herrscher eine Verringerung seines Gefolges. Das musste von den Kaufleuten durch eine Abgabe, den forban, gesühnt werden. Diese persönliche Abgabe wurde im Hochmittelalter durch eine Schiffsabgabe, landøre oder landuarar tollr (Landfahrerzoll), abgelöst. Das nordeuropäische System wurde in Skandinavien im 12. Jh. langsam durch das römische abgelöst (Knýtlinga saga, Kap. 85) und verschwand gegen Ende des 13. Jh. fast vollständig. In England blieb es bis ins 19. Jh. bestehen.

Als Ergebnis der Entwicklung können im Spätmittelalter Z. grundsätzlich in drei Kategorien unterteilt werden: Transitzölle, Marktzölle und Akzise, die je nach historischer Entwicklung verschiedene Ausprägungen besaßen.

 In den Städten des Hanseraumes versuchten die Kaufleute, die Zoll- und Abgabenerhebung in die eigene Hand zu bekommen, u.a. durch Kauf oder Pacht der Zollrechte des Stadtherrn [Auskauf regionaler Herrscher]. Hierdurch konnten viele Kaufleute in ihren Heimatstädten zoll-, aber nicht abgabenfrei handeln. Gleichzeitig wurde versucht, außerhalb der Heimatstädte Z. und Abgaben nicht ad valorem, sondern nach festen Tarifen in einem bestimmten Münzfuß zu fixieren, der durch Inflation etc. mit der Zeit an Wert verlor (z.B. Schonenzölle). Seit den 1360er Jahren wurden innerhalb des Hanseraumes Extraz. zur Finanzierung besonderer Aufgaben ad valorem erhoben, die sog. Pfundgelder oder -z. resp. Pfahlgelder (in Danzig). Diese Abgaben wurden von den Kaufleuten vielfach freiwillig für einen bestimmten Zeitraum eingeführt und mit wenigen Ausnahmen wieder eingestellt, wurden vielfach aber als Handelshindernisse betrachtet. Zolltarife können als spezifischer Zoll oder als Wertzoll erhoben werden. Der spezifische Zoll hat als Bemessungsgrundlage die Mengeneinheit (Gewicht oder Stückzahl bzw. Transportmittel). Der Wertzoll, meist als Pfundzoll erhoben, legt den Zoll als Prozentsatz des Warenwertes fest. Generell gehören Z. und Abgaben zu den am häufigsten auf Tagfahrten und anderen Treffen behandelten Fragen und stellten eine permanente Herausforderung für Kaufleute dar.

Carsten Jahnke2017

Literatur: C. Jahnke, Customs and toll, in: The Northern Elites, I, hrsg. H. Vogt, J. V. Sigurdsson et. al., im Erscheinen; U. Dirlmeier, Mittelalterliche Zoll- und Stapelrechte als Handelshemmnisse?, in: Menschen und Städte: ausgewählte Aufsätze, hrsg. v. U. Dirlmeier, R. Elkar, 2012, 37-56; N. Middleton, Early medieval port customs, tolls and controls on foreign trade, in: Early Medieval Europe 13 (2005), 313-58; A. J. Stoclet, Immunes ab omni teloneo. Étude de diplomatique, de philologie et d’histoire sur l’exemption de tonlieux au haut Moyen Age et spécialement sur la Præceptio de navibus, Brüssel 1999; C. Jahnke, Pfundzollrechnungen im Ostseeraum. Bestand und Fragen der Auswertung, in: Die preußischen Hansestädte und ihre Stellung im Nord- und Ostseeraum des Mittelalters, hrsg. Z. H. Nowak, J. Tandecki, Toruń 1998, 151-68; H. Adam, Das Zollwesen im Fränkischen Reich und das spätkarolingische Wirtschaftsleben, 1996; N.S.B. Gras, The early English Customs System, 1918.
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